Maximilian Wigger
1996 born in Münster
2018 Kunstakademie Münster, Monika Stricker and Tobias Hantmann
2019 Kunstakademie Münster, Prof. Aernout Mik
Lives and works in Leipzig
5 Fragen an: Max Wigger
Dein Festival-Projekt in zwei Sätzen? Was hat dich zu diesem Beitrag inspiriert? Was bedeutet Demokratie für dich? Welche Rolle spielt Kunst in einer demokratischen Gesellschaft? Was macht Corona mit der Demokratie (und unserem Festival)?
Demokratie ist schwer. Demokratie muss immer neu gewagt und gelebt werden. Demokratie ist eine Aufgabe, niemals ein abgeschlossenes, fertiges Ergebnis.
Demokratie ist die Form gelebter Freiheit, der zwar Grenzen gesetzt werden müssen, deren Grenzen und Rahmen aber immer neu ausgehandelt werden müssen.
Selbstverwirklichung, persönliche Freiheit, ist der Kern der Demokratie. Gleichzeitig kann aus der Freiheit des Individuums eine zunehmende soziale Ungleichheit entstehen, wie wir es erleben. Daher ist der korrektive Faktor die gelebte Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl sowie die für die Bevölkerung erlebbare, fühlbare Sicherheit.
Beim Dialog in einer Demokratie zwischen Staat und Bürgern ist in die Frage, wie sicher sich die Menschen fühlen, entscheidend. Ohne persönliche und soziale Sicherheit wird Demokratie entwertet und es kann zu Radikalisierungen kommen.
Demokratie heißt Meinungen aushalten und drüber reden, außer diese Meinungen sind undemokratisch. Da heißt es dann; klare Kante zu zeigen.
In meiner Arbeit geschieht der Zugang zur Demokratie über (Selbst-)Anklage. Die Demokratinnen und Demokraten sind verunsichert. Impulse von außen drängen in die politische Meinungsbildung, in den verfassungsgebenden Prozess. Die Lage ist bedrohlich. Verschieden Interessengruppen, unterschiedliche politische Strömungen und Modelle, üben ihren Einfluss aus.
Der Rahmen den die Demokratie sich selbst gibt, ist abhängig von der Geschichte der Demokratie – gerade auch bei uns in Deutschland – und von den Frauen und Männern, die sich dieser Aufgabe stellen. Dabei kann nicht alles öffentlich ausgetragen werden – Verhandlungen brauchen Vertrauen und Schutz. Die Suche nach dieser Balance ist der Faden, der das Werk durchzieht.
Durch die Auslegung von demokratischen Leitsätzen als Aussagen von Interessengruppen und von Kernsätzen demokratischer Verfassungen als Ausdruck innerer politischer Gegensätze ergibt sich die Spannung aus notwendiger Abgrenzung von Politik und Bevölkerung.
Dadurch entsteht Unsicherheit, denn es fehlt die Transparenz der Entscheidungsprozesse, die in der Bevölkerung Vertrauen schaffen könnte. Es ist eben nicht so, wie sinngemäß Bismarck sagte, dass die Leute nicht wissen sollen und wollen, wie Wurst oder wie Politik gemacht wird.
Demokratie ist für mich ein progressives, sich stets wandelndes System, was anders als andere Staatsformen keine Idealgrenze kennt. Wie in der Naturwissenschaft nähern wir uns nur einer nächsten Erkenntnis an, die in ein paar Jahren schon wieder veraltet wirkt.
Ein Mensch der*die meint, begriffen zu haben, was kommunikative, respektvollen Zusammenleben in voller Gänze ausmacht, ist in meinen Augen verloren, denn Demokratie funktioniert nur mit bewegbaren Abständen und nicht nur ausgehend von festgefahrenen Meinungen. Das hat Vor- und Nachteile, dadurch wird nämlich der Umgang mit eigentlich nicht verhandelbaren Bedingungen wie Verfassungen und Grundrechte für manch eine Person doch „verhandelbar“.
Leider werden meiner Meinung nach diese Dinge zu wenig gesehen, klar benannt und demokratisch und undemokratisch zu wenig getrennt. Menschenrechte dürfen nicht verhandelbar sein und werden doch entwertet, wenn z.B. versucht wird, Familienzusammenführungen zu verhindern, wenn andere Menschen, die von woanders kommen, nicht als Menschen gesehen werden. Das führt dazu, dass Meinungen und diese vertretende Personen an dem Verhandlungstisch Platz nehmen dürfen und ihre menschenverachtenden Positionen vertreten dürfen – wie in diesem Film.