Werkstatt Demokratie
TOKENS: A Play on the Plague – From Opera to Chamberpiece
Online-Performance | Für das „Festival der Demokratie“ adaptiert David Schein seine und Candace Natvigs preisgekrönte Oper TOKENS: A Play on the Plague für die heutige Corona-Zeit. Dabei entsteht ein traurig-schönes Kammerspiel, das den Bogen von der Großen Pest in London (1665), über die Pest im Ostseeraum (Danzig, Hamburg und andere hanseatische Städte) im frühen 18. Jahrundert, bis hin zur aktuellen Lage in der Corona-Pandemie schlägt.
Die Lieder und Geschichten von TOKENS handeln von einer armen Familie und ihrem verzweifelten Versuch, aus London herauszukommen, um sich vor der Pest in Sicherheit zu bringen. Sie zeigen, wie Epidemien die Demokratie auf die Probe stellen. Einerseits sind sie demokratisch: Sie treffen Arm und Reich gleichermaßen, die Boris Johnsons und Bolsonaros dieser Welt genauso, wie die Krankenschwester im Altenheim oder den Müllmann auf den Straßen. Doch wer reich ist, hat bessere Chancen, bessere Gesundheitsversorgung, mehr Möglichkeiten, den Kontakt mit dem Erreger zu vermeiden. Wer arm ist, sitzt häufig fest, lebt oder arbeitet dort, wo die Infektionsgefahr hoch ist und die gesundheitliche Versorgung schlecht. So fallen mehr arme und marginalisierte Menschen der Pandemie zum Opfer.
Diese alte, traurige Geschichte spielt sich gerade in den USA und an vielen anderen Orten auf der ganzen Welt ab. Sie zeigt, dass Demokratie viel mehr ist, als nur ein Stimmrecht. Demokratie ist die Schwester der Gerechtigkeit, sie basiert auf etwas viel grundlegenderem, dem „Recht zu leben“. Dazu gehört der Zugang zu Nahrung, Unterkunft, medizinischer Versorgung, Bildung usw. Ohne diese grundlegende Gerechtigkeit ist „Demokratie“ nur ein intellektuelles Konzept, ein Privileg der Vermögenden.
Im Dezember 2020 zeigt David Schein eine Zoom-Performance in englischer Sprache, die einen Einblick in seine Arbeit erlaubt. Hier präsentiert er einen Teil des Materials, das er adaptiert hat, singt Lieder aus TOKENS zu Ukulele und Klavier und erzählt von seinem kreativen Prozess; von den Forschungen, die er im Stadtmuseum von London angestellt hat, und darüber, wie es ist, aus einer Oper mit über 60 Beteiligten ein corona-taugliches Kammerspiel zu machen.
Im nächsten Jahr – falls es ein nächstes Jahr gibt, und falls die Reisebeschränkungen gegen Amerikaner aufgehoben werden – kommt David Schein zum „Festival der Demokratie“ und performt seine Adaption von TOKENS live.
TOKENS, 1984 geschrieben, war ursprünglich eine Metapher für die AIDS-Epidemie im San Francisco der 80-er Jahre, als viele von Scheins Künstlerkollegen an einer unbekannten Krankheit starben: „gay cancer“. Jetzt, 35 Jahre später, ist seine Aktualität und Relevanz für das Thema Demokratie unbestreitbar.
Premiere
Donnerstag, 20. Dez, 20.00 Uhr, online auf dieser Seite
Aufgrund technischer Probleme musste der ursprüngliche Premierentermin leider nach hinten verlegt werden.
Beteiligte
Text, Konzept und Spiel David Schein
Musik Candace Natvig und David Schein